blumentopf

mit einem anflug von einsicht, breitete er sich auf einer parkbank aus und ließ sich von der sonne den bauch pinseln. dieser moment totalen einklangs mit dem leben an und für sich, war ihm jetzt gewiss. was meer brauchte es denn?
für den folgetag stand ein ausflug in die wellen an, mit meer sonne auf der haut und dann noch musik auf die ohren. er hatte einfach «ja» gesagt. sorglos ließ er noch ein bisschen zeit verstreichen und zog dann ein büchlein aus dem ranzen um sich ganz seiner lektüre hinzugeben.

Birkenblitz !

treehugger, 2007 — Rinden-abdruck

…tiré de mes faits divers, ein Artikel aus der Zeit, Julius Schopphof beschreibt dort seinen investigativen Besuch in der Europäischen Kulturhauptstadt Umeå in Nordschweden. Diesem zwischenzeitlichen Status schenkt der Autor nur wenig Beachtung und widmet sich der eigentlichen Notorität des Ortes: als Stadt der Birken. Dies entnimmt der Leser bereits dem amüsanten Titel: »Sie haben ihr Leben verbirkt.« *

Der gelungenen Aufmachung, folgt ein ansprechender Rapport der Begegnungen des Autors rund um den Wald von lauter Birkenbäumen. Bemerkenswert für mich bleibt die Episode mit dem Künstler und Birkenholz-Schnitzer Jögge Sundqvist.

Und so erklärt Sundqvist, in eindrucksvoller Weise, das Wesen Birke:

“Jeder Baum hat einen eigenen Charakter. Die Birke zum Beispiel ist ein weibliches Wesen, blond und licht, vornehm und zart.”

und weiterhin: “Es kommt nicht darauf an, ob ich etwas bauen will, sondern darauf, ob ich eine Birke finde, die etwas werden will.”

denn: “Sie {die Birken} sind neidisch auf uns Menschen, weil wir zwei Beine haben. Sie wollen, dass man sie mitnimmt und etwas aus ihnen macht, damit sie sich frei bewegen können.”

_____schNitt

Muscheln sammeln am Meer. Flux ein paar Kiesel aufgelesen. — Warum jener und nicht dieser? Warum ehedem gerne perfekte Rundungen mit feiner Maserung und jetzt Charaktersteine mit wilden Farbeinschlägen? — Birkenblitz.

Wir haben uns in augenblicklichem, beiderseitigem Einvernehmen gefunden. Jene (und nicht diese) wollen mitkommen, und deshalb lächeln sie mir. Gemeinsam gehen wir einen Teil des Weges und sie werden erfahren, was Menschenliebe ist.

Kann ich, einem Künstler gleich, etwas aus ihnen machen?

Es braucht viel Zeit um zu verstehen was Stein-Sein bedeutet — aus menschlicher Sicht, eine Ewigkeit. Sie bleiben wie alle guten Dinge mystère de la création. — Das ist es vielleicht was sie uns mitzuteilen haben.

*
Sie haben ihr Leben verbirkt, von Julius Schophoff, veröffentlicht am 24. Oktober 2014 in der Zeit
http://www.zeit.de/2014/42/umea-birken-schweden

what’s art duck?

Image

… und noch mehr Postkarten — adressiert an wen wohl? — den Künstler — in Dir …

… auszug aus einer elektronischen nachricht — im austausch mit Nicolas Romanacci

ein künstler ist ein mensch
der einfach irgendetwas macht

der erste Teil des satzes greift für mich den Beuys — Rumpf gedanken auf, welchen ich auf einer anderen postkarte auseinandergesetzt habe (siehe postkarte )

Beuys : jeder mensch ist ein künstler
Rumpf : nicht jeder künstler ist ein mensch — kunst machen ist menschwerdung

für mich ist menschsein im unterschied zu unmenschsein eben keine selbstverständlichkeit sondern ein weg hin zur menschlichkeit. — was ich genau darunter verstehe fuehrt jetzt vielleicht zu weit…

der zweite teil des satzes : der einfach irgendetwas macht … einfach — irgendetwas — macht
im prinzip lese ich solche (formell : das format des hervorgehobenen zitats) bedeutungsgeladenen Sätze auch immer auf das was sie nicht beschreiben.

also

einfach : im gegensatz zu schwer > mit leichtigkeit dh. intuitiv und unmittelbar, unverstellt und direkt, authentisch… Du führtest das weiter zur leichtsinnigkeit — eine interessante entwicklung

irgendetwas : im gegensatz zu etwas bestimmten — irgendetwas ist also das nicht zu bestimmende, das unbekannte, das unklare…

macht : hier gefällt mir der doppelsinn 1. machen : tun/schaffen, etc. 2. macht : autorität …

wie Du siehts ist meine lesart wahrscheinlich sehr eigen : ich isoliere die begriffe, lasse sie mir auf der zunge zergehen, kehre sie um, wirble sie durcheinander und gebe ihnen (m)einen sinn.

Funktionslust

scene from Brainstroming a dancing performance by Herman Diephuis with participation of the author; image © Michel Mazon, 2011

Funktionslust – ein Wortschmelz, der dem DIN-Normenkatalog entsprungen sein könnte, so ungriffig gestelzt kommt er auf den ersten Blick daher. Ein Begriff der dem aufmerksamen Leser Einhalt gebietet, weil er unkomfortabel ist, und nicht einfach überlesen werden will. Erst auf den zweiten Blick und durch die damit einhergehende Reflexion, entfaltet sich das interessante Spannungsverhältnis zwischen den verschmolzenen Begriffspartien.
Der Funktion, versteht man denn ihren lateinischen Ursprung: functio; für Tätigkeit und Verrichtung stehend, haftet ein allzu technischer Beigeschmack an. Dieser Beigeschmack liegt an der vielfältigen Verwendungen des Begriffes in Bezug auf Objekte und Systeme und seiner Bedeutung in der Mathematik und der Programmierung. Die Funktion ist aber eben auch ein zutiefst persönlicher und sozialer Terminus, so wie ganz eindeutig die Lust, als eine subjektiv angenehme Empfindung. Folglich kann diese Reflexion in eine semantische Synthese münden, mit dem damit einhergehenden Wohlbefinden ob der erlangten höheren Einsicht.
Die Funktionslust bezeichnet also ein Gefühl, das bei völligem Aufgehen in einer Tätigkeit auftritt und in ein umfassendes Engagement führt. Ein Schwebezustand des Gelingens resultierend aus der Balance zwischen Anforderung und Können. Ein ideales Dasein, das optimal zwischen Überfoderung (Angst) und Langeweile angesiedelt ist.
Der Begriff steht im Zusammenhang mit der sogenannten Flow-Theorie des Psychologen Mihály Csíkszentmihályi, der seine wissenschaftliche Arbeit hauptsächlich dem Phänom optimaler Resonanz persönlicher Interessen und Fähigkeiten in äusseren Umständen widmete. Die Funktionslust ist prinzipiell niemandem vorenthalten, und auch nicht auf eine bestimmte Tätigkeit beschränkt und somit eine zutiefst allgemein menschliche Erfahrung. Folgende Faktoren charakterisieren das Empfinden der Funktionslust entsprechend der Flow-Theorie: (1) intensive und fokussierte Konzentration im gegenwärtigen Augenblick (2) das Verschmelzen von Tätigkeit und Bewusstheit (3) den Verlust einer reflexiven Selbstwahrnehmung (4) das Beherrschen der aktuellen Situation oder Aktivität (5) eine Verzerrung des subjektiven Zeitempfindens (6) die Wahrnehmung des Tuns als an-sich befriedigend; hierfür wurde der Begriff der autotelischen Erfahrung eingeführt.*
Für den der sie kennt, ist die Funktionslust ein erheblicher Faktor im kreativem Gestalten des Daseins im Tun.
Die Empfindung der Harmonie des gelebten Selbst in der Welt ist ein guter Wegweiser für das Dasein — der Einzige vielleicht, folgen wir einem Leitsatz des Philosophen Jiddu Krishnamurti: truth is a pathless land.

* (Übersetzung des Autors, Quelle: Wikipedia: flow (psychology) quote: Nakamura, J., & Csikszentmihalyi, M. (2009). Flow theory and research. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Eds.), Handbook of positive psychology (pp. 195-206). Oxford: Oxford University Press.)

Home > Germans handpicked > The Arty > Jorinde Voigt


Die Wege des Herrn sind unergründlich. Bei einem meiner Streifzüge durch die unendlichen Weiten des Internet, stieß ich auf etwas was man im Französischen eine »bonne trouvaille« nennt, was sich sowohl mit »glücklichem Fund« als auch mit »originelle Idee« übersetzen lässt, und somit begrifflich eine großartige Synthese des Körper-Geist Dualismus darstellt. Wie im Titel bereits vorweggenommen, ist diese persönliche Enddeckung das Werkschaffen von Jorinde Voigt und der Ort der Enddeckung ist die online-Seite des Goethe Institut.
Das Persönliche an der Enddeckung ist zum Einen der Zeitpunkt in Anbetracht der Tatsache, dass Werk und Künstlerin bereits weitläufig bekannt sind, was wohl von einem eingeschränkten und selektiven Gesichtsfeld (m)einerseits zeugt. Zum Anderen und für mich bedeutsamer, ist der Gefallen, den ich an den Arbeiten finde, und deren Form, Gehalt und Genese, die für mich und meine Versuche richtungsweisend sein könnten.

Jorinde Voigt zeichnet, wobei ihr Zeichnen eine Form des Schreibens ist, und der Akt des Schreibens auch eine Geste darstellt. Sowohl der performative Charakter Ihrer Arbeiten, als auch deren Inhalt macht sie zu dynamischen Modellen des (Lebens-)Raum. Jorinde Voigt bezeichnet ihre Arbeiten auch als Notationen und stellt somit einen Bezug zu ihrem musikalischen Wesen, als auch eine gewisse Referenz zu den Arbeiten und der gleichnamigen Publikation von John Cage her. Grundelemente ihrer Notationen sind Linien, dynamisch geschwungen und oft wiederholt ausgeführt, die den Arbeiten durch ihren Flux Lebendigkeit einhauchen. Die Verwendung von Farbe erzeugt Kraftfelder und dient der Kodierung. Wörter sind visuelle Zeichen und semantische Orte. Ihre Arbeitsmethode beschreibt die Künstlerin als Algorithmus. Nach allgemeiner Definition ist dieser Prozess eine endliche Folge von eindeutigen Operationen oder Anweisungen, welche zur Lösung eines Problems führen. Vor dem technisch und wissenschaftlich anmutenden Anklang ihrer Arbeitsbeschreibung, steht meines Erachtens klar der intuitive und irrationale Arbeitsansatz des Künstlers, der sich einer wilden Melange simultaner Einflüsse verschreibt. Äusseren und inneren Impulsen nachgebend folgt das Tun von Jorinde Voigt dem Beuys’schen Auto-Imperativ: »Wenn sich keiner meldet, zeichne ich nicht.«

Jorinde Voigt, geb. 1977 lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Arbeiten und weitere Information findet man zuvorderst auf Ihrer online Representation.

und hier bitteschön weitere Referenzen zu dem obigen Artikel:
der Artikel von Rory MacLean für das Goethe Institut
und ein Artikel in dem Magazin Roven: Revue critique sur le dessin contemporain, nr7, 2012