Funktionslust

scene from Brainstroming a dancing performance by Herman Diephuis with participation of the author; image © Michel Mazon, 2011

Funktionslust – ein Wortschmelz, der dem DIN-Normenkatalog entsprungen sein könnte, so ungriffig gestelzt kommt er auf den ersten Blick daher. Ein Begriff der dem aufmerksamen Leser Einhalt gebietet, weil er unkomfortabel ist, und nicht einfach überlesen werden will. Erst auf den zweiten Blick und durch die damit einhergehende Reflexion, entfaltet sich das interessante Spannungsverhältnis zwischen den verschmolzenen Begriffspartien.
Der Funktion, versteht man denn ihren lateinischen Ursprung: functio; für Tätigkeit und Verrichtung stehend, haftet ein allzu technischer Beigeschmack an. Dieser Beigeschmack liegt an der vielfältigen Verwendungen des Begriffes in Bezug auf Objekte und Systeme und seiner Bedeutung in der Mathematik und der Programmierung. Die Funktion ist aber eben auch ein zutiefst persönlicher und sozialer Terminus, so wie ganz eindeutig die Lust, als eine subjektiv angenehme Empfindung. Folglich kann diese Reflexion in eine semantische Synthese münden, mit dem damit einhergehenden Wohlbefinden ob der erlangten höheren Einsicht.
Die Funktionslust bezeichnet also ein Gefühl, das bei völligem Aufgehen in einer Tätigkeit auftritt und in ein umfassendes Engagement führt. Ein Schwebezustand des Gelingens resultierend aus der Balance zwischen Anforderung und Können. Ein ideales Dasein, das optimal zwischen Überfoderung (Angst) und Langeweile angesiedelt ist.
Der Begriff steht im Zusammenhang mit der sogenannten Flow-Theorie des Psychologen Mihály Csíkszentmihályi, der seine wissenschaftliche Arbeit hauptsächlich dem Phänom optimaler Resonanz persönlicher Interessen und Fähigkeiten in äusseren Umständen widmete. Die Funktionslust ist prinzipiell niemandem vorenthalten, und auch nicht auf eine bestimmte Tätigkeit beschränkt und somit eine zutiefst allgemein menschliche Erfahrung. Folgende Faktoren charakterisieren das Empfinden der Funktionslust entsprechend der Flow-Theorie: (1) intensive und fokussierte Konzentration im gegenwärtigen Augenblick (2) das Verschmelzen von Tätigkeit und Bewusstheit (3) den Verlust einer reflexiven Selbstwahrnehmung (4) das Beherrschen der aktuellen Situation oder Aktivität (5) eine Verzerrung des subjektiven Zeitempfindens (6) die Wahrnehmung des Tuns als an-sich befriedigend; hierfür wurde der Begriff der autotelischen Erfahrung eingeführt.*
Für den der sie kennt, ist die Funktionslust ein erheblicher Faktor im kreativem Gestalten des Daseins im Tun.
Die Empfindung der Harmonie des gelebten Selbst in der Welt ist ein guter Wegweiser für das Dasein — der Einzige vielleicht, folgen wir einem Leitsatz des Philosophen Jiddu Krishnamurti: truth is a pathless land.

* (Übersetzung des Autors, Quelle: Wikipedia: flow (psychology) quote: Nakamura, J., & Csikszentmihalyi, M. (2009). Flow theory and research. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Eds.), Handbook of positive psychology (pp. 195-206). Oxford: Oxford University Press.)

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