Der Flaneur

Der Flaneur ist einer Gehender. Ein Mensch der verstanden hat, dass das Gehen mit den eigenen Füßen eine natürliche, und damit eine ihm angemessene Form der Fortbewegung ist. Das Angenehme des Gehens in einer unbedachten Schrittweise und -geschwindigkeit ist, dass es weitestgehend mühelos ist und keiner weiteren Aufmerksamkeit bedarf.

Der Flaneur gibt somit seinen Sinnen freien Lauf sich mit der Umgebung zu vergnügen. Und so streifen die lieben Sinne, gleich dem Flaneur, ihrer Eigensinnigkeit entsprechend, die Gegend ab, fröhlich und unbeschwert von fernem Verlangen. Sie danken es ihrem Herrn, indem sie seine Aufmerksamkeit eindrucksvoll auf dieses und jenes richten.

Der somit reich beschenkte weiß gar nicht so recht wie ihm geschieht ob dieser willkommenen Zufälligkeiten. Und hier kommt das magische Moment des Flanierens zur Geltung, nämlich dass der Lustwandelnde einerseits das Andere sieht und gleichsam sich selber schaut. Der offenen Dialog mit dem Unvorhergesehenen öffnet dem Flaneur die Pforten zu einem bereichertem Selbstverständnis.

Diese Form von Erkenntnis muss sich nicht begrifflich manifestieren. Sie drückt sich oft einfach in einem erfrischenden Wohlbefinden aus so wie Limonade für die Seele.

»Pour le parfait flâneur, pour l’observateur passionné, c’est une immense jouissance que d’élire domicile dans le nombre, dans l’ondoyant, dans le mouvement, dans le fugitif et l’infini. Etre hors de chez soi, et pourtant se sentir partout chez soi; voir le monde, être au centre du monde et rester caché au monde, tels sont quelques-uns des moindres plaisirs de ces esprits indépendants, passionnés, impartiaux, que la langue ne peut que maladroitement définir«.

Charles Baudelaire
Le peintre de la vie moderne, III. “L’artiste, homme du monde, homme des foules et enfant”, Le Figaro, novembre–décembre 1863, La Pléiade, p. 1156-1162.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *